Kann man sich mit Nikotin gegen das neuartige Coronavirus schützen?

SARS-CoV-2 wird landläufig auch als „neuartiges Coronavirus“ bezeichnet. Neu und noch reichlich unbekannt … In der Forschung beginnt man erst nach und nach zu begreifen, wie es funktioniert. Doch es braucht Zeit, um sichere Erkenntnisse zu gewinnen. Bis es so weit ist, werden zahlreiche Hypothesen aufgestellt, und einige davon werden massenhaft im Internet und den sozialen Netzwerken verbreitet. Wie zum Beispiel die, dass Tabak gegen COVID-19 schützen könnte. Im Folgenden fassen wir zusammen, was man zu dieser Frage weiß und was (noch) nicht.

Dabei allem voran ein entscheidender Hinweis: Das, was möglicherweise schützt, ist Nikotin, nicht Tabakrauch. Man muss hier deutlich zwischen dem Konsum von Tabak und Nikotin unterscheiden. Nikotin ist in Tabak enthalten, aber auch in bestimmten Liquids für E-Zigaretten und anderen pharmakologischen Produkten, die einem helfen können, das Rauchen aufzugeben, z. B. in Nikotinpflastern. Um zu überprüfen, ob Nikotin eventuell eine Schutzwirkung hat, hat ein französisches Forschungsteam eine Studie initiiert, bei der COVID-19 Patienten und das zuständige medizinische Personal Nikotinpflaster tragen sollen.

Das, was man weiß, im Überblick:

  1. Ein möglicher Schutzeffekt von Nikotin gegenüber COVID-19 konnte bisher noch nicht bestätigt werden. Sollte er bestehen, gilt es noch die Nebenwirkungen einer Nikotingabe zu ermitteln, denn Nikotin ist keinesfalls harmlos. Es ist möglich, dass andere, weniger gesundheitsschädliche Substanzen eine ähnliche Wirkung haben. Es wurden erst unlängst Forschungsprojekte in diese Richtung gestartet, und es ist noch zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen.
  2. Unlängst durchgeführten Studien zufolge steigt mit dem Konsum von Tabak das Risiko für einen sehr schweren Verlauf von COVID-19.
  3. Nikotin ist eine Droge, die abhängig macht und die man darum keinesfalls leichtfertig konsumieren sollte. Verzichten Sie darum auf die vorbeugende Einnahme von Nikotin zum Schutz vor COVID-19 (auch in Form von E-Zigaretten oder Nikotinpflastern usw.).
  4. Die beste Vorbeugung besteht darin, auf sein Gewicht zu achten, sich regelmäßig zu bewegen und auf gute Blutdruckwerte zu achten. Was man für einen guten Blutdruck tun kann? Gesund essen, Sport treiben, wenig Alkohol trinken und nicht rauchen.
  5. Wenn man das Rauchen aufgibt, verbessern sich Lungen- und Herz-Kreislauffunktionen unmittelbar. Das macht Sie im Falle einer Coronainfektion widerstandfähiger. Außerdem berühren Sie Ihr Gesicht seltener mit den Händen, wenn Sie nicht mehr rauchen – und schalten damit einen wichtigen Übertragungsweg für das Virus aus.
  6. Aktuell besteht der beste Schutz gegen eine Coronainfektion in der Einhaltung der empfohlenen Verhaltensregeln (Abstand halten, Hände waschen usw.). Und das bleibt auch so, bis ECHTE Beweise für die Wirksamkeit anderer Methoden vorliegen.
  7. Wenn Sie Nikotin zu sich nehmen (ob als Zigarette, E-Zigarette, Nikotinersatzprodukt usw.), können Sie nicht davon ausgehen, dass Sie besser gegen eine Coronainfektion geschützt sind als die restliche Bevölkerung. Halten Sie sich darum streng an die Abstands- und Hygiene-Regeln.
  8. Rauchende müssen vielmehr davon ausgehen, dass sie besonders gefährdet sind und doppelt aufmerksam sein.

Warum gibt es überhaupt Vermutungen, dass Nikotin vor Corona schützen könnte?

Im Rahmen von zwei Studien (einer chinesischen und einer amerikanischen) wurde festgestellt, dass unter den wegen COVID-19 intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten relativ wenige Rauchende waren. Allerdings scheinen in beiden Studien größere methodische Unschärfen bei der Auswahl der beobachteten Personengruppen vorzuliegen. So wurde das Durchschnittsalter der Patienten und Patientinnen, gleichwohl ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19, nicht berücksichtigt. Dass unter den intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten so wenige Rauchende waren, könnte etwa auch daran liegen, dass mit steigendem Alter immer weniger Menschen rauchen.*

Angesichts der bemerkenswerten Ergebnisse der chinesischen und der amerikanischen Studie hat ein französisches Forschungsteam den Forschungsansatz vertieft und den Tabakkonsum von weniger schweren COVID-19-Fällen unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter untersucht. Auch im Rahmen der französischen Studie wurde beobachtet, dass weniger Gewohnheitsrauchende unter den COVID-19-Patientinnen und -Patienten waren, als es angesichts des Anteils an Rauchenden in der französischen Bevölkerung insgesamt zu erwarten gewesen wäre. Doch Vorsicht ist geboten – es handelt sich lediglich um eine Beobachtung, ein Ursache-Wirkung-Zusammenhang besteht nicht.

Studie unter Konsumenten und Konsumentinnen von E-Zigaretten zeigt gegenteilige Ergebnisse

Zwei französische Dampfer-Verbände (für Konsumenten und Konsumentinnen von E-Zigaretten) haben Anfang April eine Eil-Umfrage im Internet lanciert. Diese Datensammlung hält zwar wissenschaftlichen Ansprüchen nicht ganz stand, doch aus der Analyse der Antworten von 4.000 E-Zigarettenraucherinnen und -rauchern lässt sich dennoch eine Tendenz ablesen: Einen Hinweis auf eine tatsächliche Schutzwirkung von Nikotin gegenüber COVID-19 gibt es nicht.

Forschung ruft zur Vorsicht auf

Zum besseren Verständnis der ACE2-Rezeptoren, über die das neuartige Coronavirus in die menschlichen Zellen gelangt, sowie darüber, wie Nikotin auf diese Rezeptoren wirkt, sind noch weitere Studien notwendig. In Frankreich haben bereits klinische Studien begonnen. Die Forschenden raten jedoch dringend davon ab, vorbeugend Nikotin zu konsumieren, bevor tragfähige Ergebnisse vorliegen, da die damit verbundenen Gesundheitsrisiken größer sind als der zu erwartende Nutzen.

Alle wichtigen Informationen

Quelle: Wir bedanken uns bei der belgischen Krebsstiftung Fondation belge contre le Cancer, nach deren Vorlage dieser Text entstanden ist.

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